Dienstag, 22. Mai 2012

Geschlechtertausch

Eine Romanidee macht während des Schreibprozesses eine Vielzahl von Änderungen durch. Auch bei "Zwei Fixsterne" wurden immer wieder Szenen nachtäglich eingefügt oder gestrichen.
Als Beispiel: Eine der letzten Szenen, die geschrieben wurde und die es in das fertige Manuskript geschafft hat, ist:

Kennen sie schon das Märchen von dem stummen Prinzen?
Nein?
Also: Es war einmal ein junger Prinz. Der lebte in der Mitte der Märchenstadt ...


Andere Szenen, die in früheren Versionen des Manuskriptes auftauchten, machten irgendwann keinen Sinn mehr, hatten sich überdauert oder wirkten beim zehnten Lesen einfach nicht mehr so originell wie in der Minute, in der sie entstanden.

Gerade habe ich mich mit einer anderen Autorin unterhalten, der ich momentan bei der Überarbeitung ihres Manuskriptes helfe. Es stellte sich die Frage, wie weit das Geschlecht bei einer Romanfigur austauschbar ist - und plötzlich erinnerte ich mich an einen in "Zwei Fixsterne" sehr früh untergegangenen Punkt: Als circa zwei Drittel des Manuskriptes geschrieben waren, spielte ich für ein paar Tage mit dem Gedanken, die Hauptfigur von einem Mann (Er) in eine Frau (Sie) umzuwandeln.

An dem Rest des Manuskriptes hätte sich nichts geändert: Objekt der Begierde wäre weiterhin die unerreichbare Kurierfahrerin beim MKS gewesen. Vielleicht hätte ich Sie in einigen Szenen "weiblicher" (gibt es so etwas?) auftreten lassen, aber dabei hätte es sich nur um Details gehandelt.

Aber am Ende siegte die Bequemlichkeit: Ich hätte auf 50 oder 60 Seiten Rohmanuskript den Mann in eine Frau umwandeln müssen, immer mit der Furcht im Hinterkopf, ein entscheidendes Wort zu übersehen. Dass später ein Lektor "Zwei Fixsterne" überarbeiten würde, diese Idee gab es damals noch nicht.
Außerdem war ich mir nie sicher, ob ich eine junge Frau, homosexuell und am Rande ihres Coming-outs passend beschreiben könnte.


So ist am Ende "Er" ein Er geblieben.
Es ist Monate her, dass ich daran gedacht habe. Doch jetzt ist die Erinnerung plötzlich wieder da, und dieses bizarres Detail gehört in den Fixsterne-Blog.

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